Kaiser Gerald, HTBL Kapfenberg, gerald.kaiser@htl-kapfenberg.ac.at
 
Animation-Didaktik

Schon in der großen Didaktik von Comenius (1592-1670) konnte man folgendes nachlesen: "Warum sollte man nicht die Lehre mit einer Betrachtung der wirklichen Dinge beginnen, statt mit ihrer Beschreibung durch Worte? Denn erst, wenn die Sache gezeigt worden ist, sollte der Vortrag folgen, um die Sache weiter zu erläutern."
Heute wird man diese Worte mit Multimedia in Zusammenhang bringen.
Zu Beginn werden einige Begriffe erklärt, die in diesem Zusammenhang benötigt werden.

Multimedia

Unter Multimedia versteht man die Verbindung verschiedener Medien, wie Texte, Bilder, Grafiken, Tonsequenzen, Animationen und Videosequenzen. Multimedia kann sowohl offline (CD-ROM) als auch online (Internet) genutzt werden.
Heute ist man noch nicht in der Lage, mittels Multimedia alle menschlichen Sinne (z.B. Geruchssinn) anzusprechen.

Interaktivität

Im pädagogischen Bereich tritt mit Multimedia immer der Begriff der Interaktivität auf. Darunter versteht man die Bereitschaft zur Kommunikation zwischen Individuen innerhalb einer Gruppe. Besonders in der Informatik und auch in der Mathematik meint man meist damit den Dialog zwischen Benutzer und Computersystem. Die Interaktion wird aber dadurch eingeschränkt, dass in diesem Dialog noch nicht alle Sinne eingesetzt werden können.
In der Mathematik kann der Dialog zwischen Benutzer und Computersystem z.B. mittels Dateneingabe und Datenausgabe erfolgen. Weiters sollen die Programme dem Benutzer die Möglichkeit geben, durch gezieltes Eingreifen, den Ablauf des Programmes zu beeinflussen.
Das Lernen wird durch die Interaktivität und die Eigenaktivität des Benutzers unterstützt

Animationen

Animation – das Wort stammt vom Lateinischen "animare", es bedeutet "beleben", "beseelen". Mit Animationen kann der Mathematik Leben eingehaucht werden. Mit Animationen kommt die Mathematik, die oft als tot, starr und unanschaulich erscheint, in Bewegung. "Etwas läuft ab", "etwas bewegt sich": Bei den Animationen haben die Bilder der Mathematik laufen gelernt.
"Animieren" – das Wort hat auch eine anrüchige Bedeutung: Wenn sich etwas bewegt, bringt das jemand in Stimmung. Hier versteckt sich eine lustvolle Komponente der Animationen. Die Abläufe und Bewegungen sollen Lust hervorrufen, Spannung erzeugen, Spaß bereiten und Freude machen.
Der Hauch der Animationen bringt frischen Wind in die Mathematik, die luftigen Gebilde erfreuen die Sinne, lassen die Mathematik sinnlich erfahren.
Im Spiel der Animationen kann der Schüler sich treiben lassen: Im Probieren und Experimentieren steht er vor der Frage "Was ist wenn?", er beschreitet unbekannte Wege "Wo führt das hin?", stellt Vermutungen auf "Was kann das sein?", geht ein Wagnis ein und testet die Grenzen "Wie weit kann ich gehen?"
Mit den Animationen ist der Schüler weg von der Abstraktion, keine Variablen und Formeln plagen ihn, nur Bilder erfreuen sein Auge;
Mit den Animationen ist der Schüler weg vom logisch stringenten Aufbau der Mathematik, kein Schritt-für-Schritt-Beweis erzeugt die Einsicht, sondern ein Aha-Erlebnis;
Mit den Animationen ist der Schüler weg vom lehrerzentrierten Unterricht. Der Lehrer hat die Verantwortung an den Schüler abgegeben, der selbsttätig und interaktiv sich auf eine Entdeckungsreise begibt.

Für die Bewertung von Animationen könnte man ähnlich wie bei pädagogischer Software drei Standards festlegen

Interaktivität: Didaktik: Programmtechnik: Es ist natürlich klar, dass nicht alle dieser Standards erfüllt werden können. Es ist ein Unterschied, ob die Animationen vorgeführt oder ob der Benutzer mit den Animationen selbstständig arbeitet.

Für den Mathematikunterricht sind vor allem Grafiken und die Veränderung von Zahlen von Bedeutung. Dabei werden neben der Software die für den Mathematikunterricht geeignet sind (Computeralgebrasysteme, Tabellenkalkulationen o.ä.), auch programmierte Tools verwendet.

In diesem Beitrag werden vor allem auf jene Animationen eingegangen, die in der Aussendung verwendet werden.

Visuelle Medien:

Animationen mit Hilfe von Computeralgebrasystemen

Die Erstellung einer solchen Animation lässt sich auch für einen Neueinsteiger mit einigen Softwarekenntnissen relativ rasch durchführen. Mit MathCad lässt sich z.B. alles animieren, das sich in Abhängigkeit zu einer vordefinierten Konstanten (FRAME) setzen lässt.

Die Interaktivität ist bei dieser Form der Animation praktisch nicht gegeben. Weiters wirken sich die kurze Vorspieldauer und der hohe Speicherbedarf nicht optimal aus. Im Gegensatz dazu steht, dass die Animationen dieser Art einen hohen Darstellungseffekt besitzen. Sie sind daher für einen gezielten Einsatz im Unterricht sehr gut geeignet.
Die Erstellung der Animation kann auch im Mathematikunterricht erfolgen. Aus didaktischer Sicht wäre dabei zu erwähnen, dass für die Erstellung der Animation der mathematische Zusammenhang exakt behandelt werden muss.
Für die Demonstration muss dann das erstellte Programm in einen AVI- File umgewandelt werden. AVI ist das Microsoft Standardformat für Video-Dateien. Es ist die Abkürzung für Audio Video Interleaved-Format.
Sind die Animationen einmal als AVI-File abgespeichert, so können keine Änderungen mehr durchgeführt werden.
Für die Vorführung eines AVI-Files verwendet man meistens einen RealPlayer. Dadurch ist man vom Softwarepaket unabhängig, d.h. man kann Animationen, die bereits im AVI-Format vorliegen vorführen.
Besitzt man noch keinen RealPlayer, so kann man im Internet von der Homepage von Real-Networks Inc (www.real.com) die neueste Version downloaden.

Animationen mit Hilfe von Taschenrechnern

Die Erstellung einer Animation mit einem Taschenrechner ist eine zeitaufwendige und monotone Angelegenheit, aber schnell erlernbar. Der zu animierende Funktionsgraf muss jedes Mal im y-Editor mit der entsprechenden Parameteränderung eingeben und anschließend gezeichnet werden. Danach muss jeder einzelne Grafikbildschirm abgespeichert werden. Mit einem vordefinierten Befehl (beim TI 92:CyclePic) kann dann die Animation als Folge der abgespeicherten Displays ablaufen.
 

Soll die Animation einigermaßen ansprechend sein, so ist eine Vielzahl von abgespeicherten Grafiken notwendig, was zu Speicherplatzproblemen führen kann.
Der unmittelbare Vorteil liegt sicherlich in der Verfügbarkeit der Taschenrechner. Dadurch ergeben sich eigenständige Experimentiermöglichkeiten, weiters ist die Bedienung einer solchen Animation einfach.
Der Benutzer hat dafür aber keine Möglichkeit in den Programmablauf einzugreifen. Ein weiteres Problem liegt darin, dass auf den Achsen keine Skalierung vorhanden sind. Diesen Nachteil kann der Benutzer einigermaßen aufheben, wenn er den Windowsbereich genau kennt und damit die Skalierung auf den Achsen.
Die Darstellung der Grafik ist natürlich wesentlich schlechter als bei einer Animation mit einem Computeralgebrasystem.

Animationen mit Hilfe von Tabellenkalkulationen

Mit relativ geringem Aufwand kann man Animationen mit Hilfe einer Tabellenkalkulation erstellen. Dabei sind fast nur Befehle und Funktionen notwendig, die in einer Tabellenkalkulation ohnehin verwendet werden. Das sind jene Befehle, die für das Erstellen einer Wertetabelle (und damit das Einfügen einer Funktion), eines Diagramms notwendig sind. Als zusätzliche Funktion tritt schließlich das Einfügen eines Schiebereglers auf.

Gegenüber den bisher besprochenen Animationen, fällt hier unter anderem die vorhandene Interaktivität auf. Durch die Verwendung der Schieberegler, was einer interaktiven Veränderung der Parameter gleichkommt, kann der Benutzer die sofortige Auswirkung der Parameteränderung erkennen. Die grafische Darstellung der Animation lässt nichts zu wünschen übrig. Die Größe der Grafik, die Skalierung, die Bezeichnung können den eigenen Vorstellungen angepasst werden. Entsprechende Grafiken können auch ohne Probleme ausgedruckt werden.
Die Erstellung solcher Animationen lassen sich, ausgehend von der Funktionsgleichung, ohne Probleme auch im Mathematikunterricht durchführen. Optimal wäre natürlich, wenn jeder Schüler dabei Zugang zu einem Computer hätte.

Programmierte Animationen

Der nächste Schritt führt zu den programmierten Animationen. Hier unterscheidet man zwischen jenen Animationen, die mit Hilfe einer

erstellt werden.
Die Erstellung dieser Art von Animationen ist anspruchsvoll. Außer perfekten Kenntnisse in Programmierung, Software und mathematischen Wissen ist eine große Erfahrung notwendig, um einer entsprechende Form der Grafik zu erhalten.
In wie weit und auf welche Art die Interaktivität zur Auswirkung kommt hängt in erster Linie vom Programmierer ab.

EXCEL und VBA

EXCEL wird zusammen mit VBA (Visual Basic für Anwendungen) ausgeliefert. Dabei handelt es sich um einer Programmiersprache, die das Arbeiten mit Tabellen, Daten und Diagrammen vereinfacht und beschleunigt. Es bietet sich hiermit eine hervorragende Möglichkeit an, Animationen zu erstellen.
 
 

Die Interaktivität ist hier voll gegeben. Die Auswirkungen der Parameteränderungen können sofort in einer hervorragenden Grafik betrachtet werden.

Java – Applets

Java-Applets sind eigenständige Java-Programme. Sie können unter jeder Plattform eingesetzt werden und sind sofort verwendbar. Die Funktionsweise wird im Allgemeinen rasch verstanden. Man findet heute viele Applets im WWW zu den unterschiedlichsten Themen in der Mathematik und Physik (nicht uninteressant für die angewandte Mathematik). Dabei werden nicht nur grafische Darstellungen behandelt, sondern auch andere Themen in der Mathematik abgedeckt ( z.B. Taschenrechner, Räuber-Beute Modelle, Hypothesentests usw.)
Man kann sie von den entsprechenden Internetseiten auch downloaden und mit einem Java fähigen Browser auch offline verwenden.

Die Interaktivität ist bei den meisten Applets voll gegeben. Applets eignen sich nicht nur zur Vorführung, sondern auch für das eigenständige Arbeiten und Experimentieren. Man könnte sie daher auch als elektronische Arbeitsblätter bezeichnen, in denen die Interaktivität eine ganz entscheidende Rolle spielt.
Aufbauend auf den mathematischen Zusammenhang erfüllen sie auch aus didaktischer Sicht den Erwartungen.
Abschließend sei zu bemerken, dass Animationen in naher Zukunft den Mathematikunterricht begleiten werden und eine wesentliche Bereicherung sein werden. Beim Einsatz wird man sich wahrscheinlich die gleiche Frage stellen, wie vor einigen Jahren, nämlich über den Einsatz der Modernen Hilfsmittel im Mathematikunterricht. Wichtig wird sein, unabhängig davon, ob man Animationen selbst erstellen wird oder fertige Animationen verwendet, dass der mathematische Hintergrund immer beleuchtet wird.