Andreas Resetarits, Walther M. Stuzka Gymnasium Neulandschule 1100 Wien, Ludwig-v.-Höhnelg. 17-19
e-mail: Andreas.Resetarits@nls.at, w.stuzka@kabsi.at
 
100 Jahre PLANCK’sche Strahlungsformel
Zur hundertsten Wiederkehr des Geburtstags der Quantenphysik

Mathematische Inhalte:

Funktionen, Differentiation, Integration
Anwendungen:
Astronomie, Kosmologie, Pyrometrie, Spektrometrie, …
Kurzzusammenfassung:
Vor (ziemlich genau)100 Jahren präsentierte Max PLANCK der Fachwelt eine revolutionäre Theorie, mit deren Hilfe er ein Gesetz für die spektrale Zusammensetzung der Hohlraumstrahlung formulieren konnte. Historisches und Mathematisches rund um den Geburtstag der Quantentheorie.
Lehrplanbezug (AHS):
Physik (6. – 8. Klasse): Emission und Absorption von Licht, Grundgedanken der Quantenphysik
Mathematik (6. – 8. Klasse): Funktionen (e-Funktion, Potenzfunktion), Logarithmus, Differentiation, Extremwertaufgaben, Integration
Mediales Umfeld:
Computeralgebra-Systeme (Mathematica 3.0, Mathcad 6.0)

Soweit die Mathematik exakt ist, beschreibt sie nicht die Wirklichkeit
und soweit sie die Wirklichkeit beschreibt, ist sie nicht exakt.
Albert EINSTEIN (1879-1955)
Der britische Physiker William Lord KELVIN ((1824-1907); bis 1892 Sir William THOMSON) meinte kurz vor der Jahrhundertwende:

"Das Gebäude der Physik erscheint mir vollkommen harmonisch und im wesentlichen vollendet. Nur am Horizont sehe ich zwei kleine dunkle Wolken: das negative Ergebnis des MICHELSON-MORLEY-Experiments und die Ultraviolett-Katastrophe des RAYLEIGH-JEANS’schen Strahlungsgesetzes."

Die beiden "kleinen dunklen" Wolken waren jeweils Auslöser einer wissenschaftlichen Revolution; der Relativitätstheorie und der Quantentheorie. Wie es zur "Geburt" letzterer kam, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.
Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts stand man in der Physik (u. a.) vor dem Problem, eine Theorie für die Intensität und die spektrale Zusammensetzung der elektromagnetischen Strahlung, die aus einer kleinen Öffnung eines geheizten Hohlraums dringt (Hohlraumstrahlung, Temperatur-strahlung), aufzustellen.

Eine Veranschaulichung der u. a. von O. LUMMER und E. PRINGSHEIM gewonnenen Messdaten zeigte – z.B. für die Hohlraumstrahlung einer Temperatur von 1650 K – folgenden Zusammenhang:
 

Abb. 1 Spektrale Verteilung der Hohlraumstrahlung – spektrale Strahlungsleistungsdichte R(l ).
Links: Faksimile aus der Originalarbeit von LUMMER und PRINGSHEIM (Literatur siehe Seite 9)
Rechts: formelgenerierte "Mess"-Punkte [ex PLANCK0.MCD].

Unter der s p e k t r a l e n Strahlungsleistungsdichte [in (Watt/m2)/m ] versteht man die auf einen "kleinen" Wellenlängenbereich (in m) bezogene Strahlungsleistungsdichte (in Watt/m2).
(Die untere Grenze für die Größe des jeweils in einem Schritt zu untersuchenden Wellenlängenbereichs hängt vom Auflösungsvermögen des verwendeten Spektrometers ab.)
Die Strahlungsleistungsdichte ergibt sich aus der auf die Größe der Öffnung im strahlenden Hohlraum (in m2) bezogenen Strahlungsleistung (in Watt).

Zur Beschreibung der Messdaten lagen zwei Gesetze vor:

(1) Das WIEN’sche Strahlungsgesetz (Wilhelm WIEN (1864-1928); 1896):

R(l,T) = 

R(l,T) ... spektrale Strahlungsleistungsdichte in (W/m2)/m
c1 und c2 sind zwei empirisch bestimmte Konstanten.

Das WIEN’sche Strahlungsgesetz stimmt nur für kleine Wellenlängen l bzw. kleine Werte von l × T gut mit dem Experiment überein (siehe Abb. 3).
W. WIEN ließ sich bei seinem (thermodynamischen) Ansatz von der Ähnlichkeit der spektralen Verteilung der Strahlungsleistung mit der MAXWELL-BOLTZMANN-Verteilung der Molekülgeschwindigkeiten (kinetischen Energien) in einem idealen Gas leiten.

(2) Das RAYLEIGH-JEANS’sche Strahlungsgesetz (Lord John RAYLEIGH ((1842-1919); bis

1873 John STRUTT) u. James JEANS (1877-1946); 1900):

R(l,T) = 

R(l,T) ... spektrale Strahlungsleistungsdichte in (W/m2)/m

Das RAYLEIGH-JEANS’sche Strahlungsgesetz entstand aus einer klassischen elektro- bzw. thermodynamischen Theorie und stimmt nur für große Wellenlängen l
bzw. große Werte von l × T gut mit dem Experiment überein (siehe Abb. 4).
Der Funktion fehlt – im Widerspruch zu den Messdaten – ein Maximum und – noch viel schlimmer – bei immer kleiner werdender Wellenlänge l geht der Ausdruck 1/l4 gegen Unendlich. Die Strahlungsleistung würde unendlich groß werden. Deshalb sprach man auch von der "Ultraviolett (UV)-Katastrophe".

Am 19. Oktober 1900 legte Max PLANCK (1858-1947) auf der Versammlung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin sein (vorläufiges) Strahlungsgesetz – eine "Interpolation" zwischen den beiden obengenannten Gesetzen – vor.

R(l,T) = 

c1 und c2 waren die bereits zuvor erwähnten, empirisch bestimmten Konstanten.
"Jede Konstante verbirgt ein Stück unerklärter Natur, bleibt ein Stück Phänomenologie. Eine Konstante beschreibt die Stärke einer Naturkraft, verhüllt aber die Gründe, warum sie so stark ist und wie sie durch das Zusammenwirken der Materie und Felder entsteht."
R. BREUER, Das Anthropische Prinzip, Birkhäusler, 1988

In acht Wochen intensivster Arbeit gelang es aber PLANCK, diesen Konstanten eine theoretische Bedeutung zuzuschreiben. Abermals vor der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, am 14. Dezember 1900, präsentierte er seine Ergebnisse:

h = 6,62× 10-34 Js war dabei eine ganz neue (Natur-)Konstante und ist heute als PLANCK’sches Wirkungsquantum bekannt (c ist die Lichtgeschwindigkeit, k die BOLTZMANN-Konstante). Revolutionär war die Annahme (Quantenhypothese) PLANCKs, dass strahlende Systeme Energie nicht kontinuierlich, sondern portionsweise, in Form der Quanten miteinander austauschen.

Die Energie E dieser Quanten ist stets ein (ganzzahliges) Vielfaches des PLANCK’schen Wirkungsquantums h.

Es gilt , wobei f die Frequenz der Strahlung bedeutet.

Der 14. Dezember 1900 wird heute gerne als das Geburtsdatum der Quantenphysik bezeichnet

In den Annalen der Physik 4, 553 (1901) veröffentlichte PLANCK unter dem Titel
"Ueber das Gesetz der Energieverteilung im Normalspectrum" seine Arbeiten "offiziell".

Die PLANCK’sche Strahlungsformel kann nun wie folgt angeschrieben werden:

R(l,T) = 
 
 

Abb. 2 Isothermen des Schwarzen Strahlers nach dem PLANCK’schen Strahlungsgesetz [ex PLANCK1.MCD].

Anmerkung:

(1) Man kann zeigen, dass das PLANCK’sche Strahlungsgesetz für kleine Werte von durch das WIEN’sche Strahlungsgesetz angenähert wird:

R(l,T) = 

Da der Wert  für kleine Werte von  viel größer als 1 ist, kann der Ausdruck –1 vernachlässigt werden.

Abb. 3 Abweichungen des WIEN’schen Strahlungsgesetzes von den Messdaten bzw. dem PLANCK’sche Strahlungsgesetz (z. B. für die 6000 K-Isotherme) [ex PLANCK2.MCD].

(2) Man kann aber auch zeigen, dass das PLANCK’sche Strahlungsgesetz für große

Werte von  durch das RAYLEIGH-JEANS’sche Strahlungsgesetz angenähert wird:


Die Vernachlässigung der höheren Potenzen sei für große Werte von  gestattet, da bereits der Quotientenwert (des linearen Terms)  sehr klein wird. Somit kann man schreiben:

R(l,T) = 

Abb. 4 Abweichungen des RAYLEIGH-JEANS-Gesetzes von den Messdaten bzw. dem

PLANCK’sche Strahlungsgesetz (z. B. für die 6000 K-Isotherme) [ex PLANCK2.MCD].

Interessiert die gesamte Strahlungsleistung, die bei der Temperatur T aus der Öffnung eines Hohlraumstrahlers gelangt (die Strahlungsleistungsdichte P in Watt/m2 im Gegensatz zur spektralen Strahlungsleistungsdichte R in (Watt/m2)/m), so muss über alle Wellenlängenbereiche summiert, genauer gesagt, integriert werden. Dem entspricht die Berechnung der Fläche unter

einer Kurve konstanter Temperatur (Isotherme).

In PLANK7.NB wird diese Integration mit Hilfe von Mathematica durchgeführt, nachfolgend jedoch

etwas "alte Schule".

Durch Substitution

und Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die Integrationsgrenzen ändern

(l = 0 ® x = ¥ , l = ¥® x = 0) – was den Faktor (–1) erfordert – erhält man
 

Das ist das berühmte STEFAN-BOLTZMANN’sche Sigma-T4- Gesetz.

(Josef STEFAN (1835-1893), Ludwig BOLTZMANN (1844-1906); 1879 u. 1894)

Es besagt, dass die Strahlungsleistungsdichte eines Hohlraumstrahlers mit der vierten Potenz seiner Temperatur steigt.

ist die STEFAN-BOLTZMANN-Konstante.

Trägt man – wie in Abb. 5 dargestellt – für eine Folge von Temperaturen die spektrale Strahlungsleistungsdichte auf und verbindet die Punkte maximaler spektraler Strahlungsleistungsdichte (strichlierte Linie), so erkennt man, dass sich der Wert der Wellenlänge, bei der das Maximum erreicht ist, mit zunehmender Temperatur zu kürzeren Wellenlängen verschiebt.

Abb. 5 WIEN’sches Verschiebungsgesetz (im Bereich der Isothermen von 3000 K bis 5000 K in 500 K-Schritten) [ex PLANCK6.NB].

Diese Gesetzmäßigkeit wurde bereits 1893 von W. WIEN formuliert:

Das WIEN’sche Verschiebungsgesetz sagt aus, dass das Produkt aus absoluter Temperatur eines Hohlraumstrahlers und der Wellenlänge, bei der seine maximale Strahlungsleistung (jeweils) auftritt, eine (universelle) Konstante ist.

Das WIEN’sche Verschiebungsgesetz sollte sich auch aus der PLANCK’schen Strahlungsformel durch Differenzieren und Nullsetzen der ersten Ableitung (Aufsuchen der Maxima der Isothermen) ergeben.

R(l,T) = 
 
 

Durch Substitution

erhält man

R(l,T) = 

Als Ersatzfunktion (für das Differenzieren und Nullsetzen) genügt

bzw. 

Diese (transzendente) Gleichung kann nur durch Iteration [vergl. PLANCK4.NB] gelöst werden.

f[x_]:=5*(E^x-1)/E^x

N[NestList[f,x,12] /. x->1 ,10]

{1.,3.160602794,4.787999126,4.958354469,4.964877613,4.965105976,4.965113944,

4.965114222,4.965114231,4.965114232,4.965114232,4.965114232,4.965114232}

x = 4,96511...

Mit  bzw.  erhält man nach der Rücksubstitution

,

also das WIEN’sche Verschiebungsgesetz.

Stellt man die Isothermen der PLANCK’schen Strahlungsformel im doppelt-logarithmischen Stil dar (siehe Abb. 6), so präsentiert sich das WIEN’sche Gesetz besonders deutlich, nämlich als Gerade.

Begründung: Ersetzt man in der PLANCK’schen Formel R(l ,T) in der e-Funktion l durch lmax = const./T, so erhält man eine Funktion R(lmax), die nur mehr zu 1/lmax5 proportional ist.
un gilt aber, dass eine Potenzfunktion der Form  bei der Darstellung in einem Koordinatensystem mit doppelt-logarithmischen Achsen wegen als

Gerade mit dem Anstieg b und mit log a als Abschnitt auf der y-Achse erscheint.


Abb. 6 Isothermen des Schwarzen Strahlers nach dem PLANCK’schen Strahlungsgesetz (im Bereich von 500 K bis 5500 K in 500 K-Schritten) in doppelt-logarithmischer Darstellung [ex PLANCK8.NB].

PLANCK nannte seine Gleichung vom Oktober 1900 eine "glückliche Interpolation zwischen zwei Gesetzen", seine Quantenhypothese vom Dezember 1900 bezeichnete als "einen Akt der Verzweiflung".

Es hat rund 100 Jahre gedauert, bis es möglich wurde, seine genialen mathematisch-physikalischen Ansätze auf einem PC nachvollziehen zu können.

Happy Birthday, PLANCK’sche Formel!


Abb. 7 Spektrale Strahlungsleistungsdichte des Schwarzen Strahlers nach dem PLANCK’schen Strahlungsgesetz in 3D-Ansicht [ex PLANCK3.NB].



Literatur:

Primärliteratur:

O. Lummer und E. Pringsheim, "Ueber die Strahlung des schwarzen Körpers für lange Wellen",

Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 2, 163, 1900

Max Planck, "Ueber das Gesetz der Energieverteilung im Normalspectrum",

Annalen der Physik 4, 553, 1901

Physik:

Berkeley Physik Kurs, Band 4 Quantenphysik, Vieweg, 1985

Bergmann-Schäfer, Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 3 Optik, 1978

Resnik, Halliday, Basic Concepts in Relativity and Early Quantum Theory, Wiley & Sons, 1985

Die Werte für die verwendeten physikalischen Konstanten stammen aus dem Buch von

Wolfgang Demtröder, Experimentalphysik 2 (Elektrizität und Optik), Springer, 1995

Mathematica:

Stephen Wolfram, Mathematica, Addison-Wesley, 1992

Theodore W. Gray, Jerry Glynn, Exploring Mathematics with Mathematica, Addison-Wesley,1991

Mathcad:

Markus Hörhager, Heinz Partoll, Mathcad 5.0/PLUS 5.0, Addison-Wesley, 1994