Zur hundertsten Wiederkehr des Geburtstags der Quantenphysik |
Mathematische Inhalte:
Funktionen, Differentiation, IntegrationAnwendungen:
Astronomie, Kosmologie, Pyrometrie, Spektrometrie, …Kurzzusammenfassung:
Vor (ziemlich genau)100 Jahren präsentierte Max PLANCK der Fachwelt eine revolutionäre Theorie, mit deren Hilfe er ein Gesetz für die spektrale Zusammensetzung der Hohlraumstrahlung formulieren konnte. Historisches und Mathematisches rund um den Geburtstag der Quantentheorie.Lehrplanbezug (AHS):
Physik (6. – 8. Klasse): Emission und Absorption von Licht, Grundgedanken der QuantenphysikMediales Umfeld:
Mathematik (6. – 8. Klasse): Funktionen (e-Funktion, Potenzfunktion), Logarithmus, Differentiation, Extremwertaufgaben, Integration
Computeralgebra-Systeme (Mathematica 3.0, Mathcad 6.0)
"Das Gebäude der Physik erscheint mir vollkommen harmonisch und im wesentlichen vollendet. Nur am Horizont sehe ich zwei kleine dunkle Wolken: das negative Ergebnis des MICHELSON-MORLEY-Experiments und die Ultraviolett-Katastrophe des RAYLEIGH-JEANS’schen Strahlungsgesetzes."
Die beiden "kleinen dunklen" Wolken waren jeweils Auslöser einer
wissenschaftlichen Revolution; der Relativitätstheorie und der Quantentheorie.
Wie es zur "Geburt" letzterer kam, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.
Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts stand man in der Physik (u. a.)
vor dem Problem, eine Theorie für die Intensität und die spektrale
Zusammensetzung der elektromagnetischen Strahlung, die aus einer kleinen
Öffnung eines geheizten Hohlraums dringt (Hohlraumstrahlung, Temperatur-strahlung),
aufzustellen.
Eine Veranschaulichung der u. a. von O. LUMMER und E. PRINGSHEIM gewonnenen
Messdaten zeigte – z.B. für die Hohlraumstrahlung einer Temperatur
von 1650 K – folgenden Zusammenhang:
![]() |
![]() |
Abb. 1 Spektrale Verteilung der Hohlraumstrahlung – spektrale
Strahlungsleistungsdichte R(l ).
Links: Faksimile aus der Originalarbeit von LUMMER und
PRINGSHEIM (Literatur siehe Seite 9)
Rechts: formelgenerierte "Mess"-Punkte [ex PLANCK0.MCD].
Unter der s p e k t r a l e n Strahlungsleistungsdichte
[in (Watt/m2)/m ] versteht man die auf einen "kleinen" Wellenlängenbereich
(in m) bezogene Strahlungsleistungsdichte (in Watt/m2).
(Die untere Grenze für die Größe des
jeweils in einem Schritt zu untersuchenden Wellenlängenbereichs hängt
vom Auflösungsvermögen des verwendeten Spektrometers ab.)
Die Strahlungsleistungsdichte ergibt sich aus der
auf die Größe der Öffnung im strahlenden Hohlraum (in m2)
bezogenen Strahlungsleistung (in Watt).
Zur Beschreibung der Messdaten lagen zwei Gesetze vor:
(1) Das WIEN’sche Strahlungsgesetz (Wilhelm WIEN (1864-1928); 1896):
R(l,T) =
=
R(l,T) ... spektrale Strahlungsleistungsdichte
in (W/m2)/m
c1 und c2 sind zwei empirisch bestimmte Konstanten.
Das WIEN’sche Strahlungsgesetz stimmt nur für kleine Wellenlängen
l
bzw.
kleine Werte von l ×
T gut mit dem Experiment überein
(siehe Abb. 3).
W. WIEN ließ sich bei seinem (thermodynamischen) Ansatz von der
Ähnlichkeit der spektralen Verteilung der Strahlungsleistung mit der
MAXWELL-BOLTZMANN-Verteilung der Molekülgeschwindigkeiten (kinetischen
Energien) in einem idealen Gas leiten.
(2) Das RAYLEIGH-JEANS’sche Strahlungsgesetz (Lord John RAYLEIGH ((1842-1919); bis
1873 John STRUTT) u. James JEANS (1877-1946); 1900):
R(l,T) =
R(l,T) ... spektrale Strahlungsleistungsdichte in (W/m2)/m
Das RAYLEIGH-JEANS’sche Strahlungsgesetz entstand aus einer klassischen
elektro- bzw. thermodynamischen Theorie und stimmt nur für große
Wellenlängen l
bzw. große Werte von l ×
T gut mit dem Experiment überein (siehe Abb. 4).
Der Funktion fehlt – im Widerspruch zu den Messdaten – ein Maximum
und – noch viel schlimmer – bei immer kleiner werdender Wellenlänge
l
geht
der Ausdruck 1/l4 gegen Unendlich.
Die Strahlungsleistung würde unendlich groß werden. Deshalb
sprach man auch von der "Ultraviolett (UV)-Katastrophe".
Am 19. Oktober 1900 legte Max PLANCK (1858-1947) auf der Versammlung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin sein (vorläufiges) Strahlungsgesetz – eine "Interpolation" zwischen den beiden obengenannten Gesetzen – vor.
R(l,T) =
=
c1 und c2 waren die bereits zuvor
erwähnten, empirisch bestimmten Konstanten.
"Jede Konstante verbirgt ein Stück unerklärter Natur,
bleibt ein Stück Phänomenologie. Eine Konstante beschreibt die
Stärke einer Naturkraft, verhüllt aber die Gründe, warum
sie so stark ist und wie sie durch das Zusammenwirken der Materie und Felder
entsteht."
R. BREUER, Das Anthropische Prinzip, Birkhäusler, 1988
In acht Wochen intensivster Arbeit gelang es aber PLANCK, diesen Konstanten eine theoretische Bedeutung zuzuschreiben. Abermals vor der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, am 14. Dezember 1900, präsentierte er seine Ergebnisse:
h = 6,62× 10-34 Js war dabei eine ganz neue (Natur-)Konstante und ist heute als PLANCK’sches Wirkungsquantum bekannt (c ist die Lichtgeschwindigkeit, k die BOLTZMANN-Konstante). Revolutionär war die Annahme (Quantenhypothese) PLANCKs, dass strahlende Systeme Energie nicht kontinuierlich, sondern portionsweise, in Form der Quanten miteinander austauschen.
Die Energie E dieser Quanten ist stets ein (ganzzahliges) Vielfaches des PLANCK’schen Wirkungsquantums h.
Es gilt ,
wobei f die Frequenz der Strahlung bedeutet.
Der 14. Dezember 1900 wird heute gerne als das Geburtsdatum der Quantenphysik bezeichnet
In den Annalen der Physik 4, 553 (1901) veröffentlichte
PLANCK unter dem Titel
"Ueber das Gesetz der Energieverteilung im Normalspectrum" seine
Arbeiten "offiziell".
Die PLANCK’sche Strahlungsformel kann nun wie folgt angeschrieben werden:
R(l,T) =
Abb. 2 Isothermen des Schwarzen Strahlers nach dem PLANCK’schen Strahlungsgesetz [ex PLANCK1.MCD].
Anmerkung:
(1) Man kann zeigen, dass das PLANCK’sche Strahlungsgesetz für
kleine Werte von durch das
WIEN’sche Strahlungsgesetz angenähert wird:
R(l,T) =
Da der Wert
für kleine Werte von
viel größer als 1 ist, kann der Ausdruck –1 vernachlässigt
werden.
Abb. 3 Abweichungen des WIEN’schen Strahlungsgesetzes von den Messdaten bzw. dem PLANCK’sche Strahlungsgesetz (z. B. für die 6000 K-Isotherme) [ex PLANCK2.MCD].
(2) Man kann aber auch zeigen, dass das PLANCK’sche Strahlungsgesetz für große
Werte von
durch das RAYLEIGH-JEANS’sche Strahlungsgesetz angenähert wird:
Die Vernachlässigung der höheren Potenzen sei für große
Werte von gestattet, da
bereits der Quotientenwert (des linearen Terms)
sehr klein wird. Somit kann man schreiben:
R(l,T) =
Abb. 4 Abweichungen des RAYLEIGH-JEANS-Gesetzes von den Messdaten bzw. dem
PLANCK’sche Strahlungsgesetz (z. B. für die 6000 K-Isotherme) [ex PLANCK2.MCD].
Interessiert die gesamte Strahlungsleistung, die bei der Temperatur T aus der Öffnung eines Hohlraumstrahlers gelangt (die Strahlungsleistungsdichte P in Watt/m2 im Gegensatz zur spektralen Strahlungsleistungsdichte R in (Watt/m2)/m), so muss über alle Wellenlängenbereiche summiert, genauer gesagt, integriert werden. Dem entspricht die Berechnung der Fläche unter
einer Kurve konstanter Temperatur (Isotherme).
In PLANK7.NB wird diese Integration mit Hilfe von Mathematica durchgeführt, nachfolgend jedoch
etwas "alte Schule".
Durch Substitution
und Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die Integrationsgrenzen ändern
(l = 0 ® x
= ¥ , l = ¥®
x = 0) – was den Faktor (–1) erfordert – erhält man
Das ist das berühmte STEFAN-BOLTZMANN’sche Sigma-T4- Gesetz.
(Josef STEFAN (1835-1893), Ludwig BOLTZMANN (1844-1906); 1879 u. 1894)
Es besagt, dass die Strahlungsleistungsdichte eines Hohlraumstrahlers mit der vierten Potenz seiner Temperatur steigt.
ist
die STEFAN-BOLTZMANN-Konstante.
Trägt man – wie in Abb. 5 dargestellt – für eine Folge von Temperaturen die spektrale Strahlungsleistungsdichte auf und verbindet die Punkte maximaler spektraler Strahlungsleistungsdichte (strichlierte Linie), so erkennt man, dass sich der Wert der Wellenlänge, bei der das Maximum erreicht ist, mit zunehmender Temperatur zu kürzeren Wellenlängen verschiebt.
Abb. 5 WIEN’sches Verschiebungsgesetz (im Bereich der Isothermen von 3000 K bis 5000 K in 500 K-Schritten) [ex PLANCK6.NB].
Diese Gesetzmäßigkeit wurde bereits 1893 von W. WIEN formuliert:
Das WIEN’sche Verschiebungsgesetz sagt aus, dass das Produkt aus absoluter Temperatur eines Hohlraumstrahlers und der Wellenlänge, bei der seine maximale Strahlungsleistung (jeweils) auftritt, eine (universelle) Konstante ist.
Das WIEN’sche Verschiebungsgesetz sollte sich auch aus der PLANCK’schen Strahlungsformel durch Differenzieren und Nullsetzen der ersten Ableitung (Aufsuchen der Maxima der Isothermen) ergeben.
R(l,T) =
Durch Substitution
erhält man
R(l,T) =
Als Ersatzfunktion (für das Differenzieren und Nullsetzen) genügt
bzw.
Diese (transzendente) Gleichung kann nur durch Iteration [vergl. PLANCK4.NB] gelöst werden.
f[x_]:=5*(E^x-1)/E^x
N[NestList[f,x,12] /. x->1 ,10]
{1.,3.160602794,4.787999126,4.958354469,4.964877613,4.965105976,4.965113944,
4.965114222,4.965114231,4.965114232,4.965114232,4.965114232,4.965114232}
x = 4,96511...
Mit
bzw.
erhält
man nach der Rücksubstitution
,
also das WIEN’sche Verschiebungsgesetz.
Stellt man die Isothermen der PLANCK’schen Strahlungsformel im doppelt-logarithmischen Stil dar (siehe Abb. 6), so präsentiert sich das WIEN’sche Gesetz besonders deutlich, nämlich als Gerade.
Begründung: Ersetzt man in der PLANCK’schen Formel R(l
,T) in der e-Funktion l durch lmax
=
const./T, so erhält man eine Funktion R(lmax),
die nur mehr zu 1/lmax5
proportional ist.
un gilt aber, dass eine Potenzfunktion der Form
bei der Darstellung in einem Koordinatensystem mit doppelt-logarithmischen
Achsen wegen als
Gerade mit dem Anstieg b und mit log a als Abschnitt auf der y-Achse erscheint.
Abb. 6 Isothermen des Schwarzen Strahlers nach dem PLANCK’schen
Strahlungsgesetz (im Bereich von 500 K bis 5500 K in 500 K-Schritten) in
doppelt-logarithmischer Darstellung [ex PLANCK8.NB].
PLANCK nannte seine Gleichung vom Oktober 1900 eine "glückliche Interpolation zwischen zwei Gesetzen", seine Quantenhypothese vom Dezember 1900 bezeichnete als "einen Akt der Verzweiflung".
Es hat rund 100 Jahre gedauert, bis es möglich wurde, seine genialen mathematisch-physikalischen Ansätze auf einem PC nachvollziehen zu können.
Happy Birthday, PLANCK’sche Formel!
Abb. 7 Spektrale Strahlungsleistungsdichte des Schwarzen
Strahlers nach dem PLANCK’schen Strahlungsgesetz in 3D-Ansicht [ex PLANCK3.NB].
Literatur:
Primärliteratur:
O. Lummer und E. Pringsheim, "Ueber die Strahlung des schwarzen Körpers für lange Wellen",
Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 2, 163, 1900
Max Planck, "Ueber das Gesetz der Energieverteilung im Normalspectrum",
Annalen der Physik 4, 553, 1901
Physik:
Berkeley Physik Kurs, Band 4 Quantenphysik, Vieweg, 1985
Bergmann-Schäfer, Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 3 Optik, 1978
Resnik, Halliday, Basic Concepts in Relativity and Early Quantum Theory, Wiley & Sons, 1985
Die Werte für die verwendeten physikalischen Konstanten stammen aus dem Buch von
Wolfgang Demtröder, Experimentalphysik 2 (Elektrizität und Optik), Springer, 1995
Mathematica:
Stephen Wolfram, Mathematica, Addison-Wesley, 1992
Theodore W. Gray, Jerry Glynn, Exploring Mathematics with Mathematica, Addison-Wesley,1991
Mathcad:
Markus Hörhager, Heinz Partoll, Mathcad 5.0/PLUS 5.0, Addison-Wesley, 1994