Markus Paul, BHAK Schwaz

Aktienanalyse


Mathematische Inhalte:

Kurzzusammenfassung:

Um Ertrag und Risiko von Aktien abschätzen zu können, werden statistische Maßzahlen berechnet. Die Frage, wie ein risikominimales Aktien-Portfolio zusammengestellt werden kann, führt auf ein Extremwertproblem.

Lehrplanbezug:

V. Jg. HAK, 4. Jg. HTL, 8. Kl. AHS (Statistik-und Analysis-Unterricht)

Mediales Umfeld:

Tabellenkalkulation EXCEL
Dateiname auf Diskette: AKTANAL.XLS

Anmerkungen:

Die Börse bietet für interessierte LehrerInnen Fortbildungsveranstaltungen an. Auskünfte erteilen bei der Wiener Börse, Wipplingerstr. 34, 1013 Wien, Frau Mag. Edith Frank (Tel: 0222/534 99/401) bzw. Frau Duhoslav Kl. 444.
Als Arbeitsunterlagen können dort der aktuelle "Jahresbericht der Wiener Börse", die laufenden "Monats-Berichte" oder die Börsen-Zeitschrift "Ticker" angefordert werden.
Für ein Projekt kann über den Verein ZiS (Zeitung in der Schule), Schreyvogelgasse 3, 1010 Wien, Tel: 0222/53361 78-0 für 12 Wochen ein Gratisabonnement (pro Schüler!) einer Tageszeitung (etwa STANDARD oder Presse) bestellt werden, um die Aktienkurse der Wiener Börse zu verfolgen.
Sind die Begriffe Mittelwert, Streuung, Kovarianz, Korrelation und Regression erklärt, kann die Aktienanalyse mit Hilfe von EXCEL in wenigen Stunden erfolgen. Der Mathematik-Unterricht bekommt dadurch einen Anwendungs- und Praxisbezug, wie man ihn sich nur wünschen kann.
 

1. Aktienanalyse

In einem Projekt habe ich mit einer Maturaklasse folgende Situation simuliert: Ein Anleger interessiert sich für drei Aktien. Nehmen wir an, er will Aktien des Halbleiterproduzenten AMS, des Flughafens Wien (FLU) und der OMV kaufen. Er beobachtet die Kursentwicklung zwei Monate lang und zieht dann Bilanz. Der Anleger verfügt nun über eine Reihe von Aktienkursen  der Aktien i zu den Zeitpunkten t (hier:Tage, es können aber auch Wochen, Monate, Quartale oder Jahre sein).

Als erstes wird sich dann der Anleger die Kursentwicklung in Charts veranschaulichen. Dazu kann er in EXCEL den Diagrammassistenten einsetzen:

Zeit- und Kursreihe markieren  Diagrammassistent aufrufen  Schritt 2: Linien  Schritt 3: 1  Schritt 4: 1 Zeile als Rubrikenbeschriftung.

Anschließend kann noch die Regressionsgerade eingefügt werden:

Daten im Diagramm markieren (müssen gelb leuchten)  Menü Einfügen: Trendlinie  Typ: linear  Option: Formel im Diagramm darstellen.

Der Chart für OMV schaut dann so aus:

 

Nun interessieren den Aktienanleger zwei Werte: Die Rendite und das Risiko.
Die Rendite (vereinfacht ohne Berücksichtigung einer Dividendenausschüttung!) errechnet sich aus dem Quotienten aufeinanderfolgender Kurswerte:

In EXCEL muß dieser Quotient lediglich aus den ersten beiden Werten gebildet werden, er kann dann durch Ziehen mit der Maustaste über die gesamte Kursreihe kopiert werden.
Im einfachsten Fall wird dann aus diesen Renditen  die mittlere bzw. Durchschnitts-Rendite mit Hilfe des arithmetischen Mittels (in EXCEL: MITTELWERT) berechnet:

Je nach Zeiteinheit erhält der Anleger so eine mittlere Tages-, Wochen-, Monats-, Quartals- oder Jahresrendite.
Mathematisch ist diese mittlere Renditenberechnung problematisch:
Bei der Kursreihe 100, 110, 100 ergeben sich als Renditen 10 % und -9,09 %, als Mittel 0,455 %. Sinnvoll ist aber als mittlere Rendite 0 %!
Eigentlich müßte bei einer Reihe von prozentualen Wachstumswerten das geometrische Mittel verwendet werden! Dieses läßt sich dann durch Logarithmieren wieder ins arithmetische Mittel transformieren. Es ergeben sich dann als Renditen ln(110/100) = 9,531 % und ln(100/110) = -9,531 % und dann als mittlere Rendite 0 %. Nun paßt allerdings die erste Rendite nicht mehr: Der Zuwachs 9,531 % ist der stetige Zuwachs. Die Abweichungen scheinen in der Praxis allerdings gering.
Als Maß für das Risiko nimmt man die Standardabweichung der Renditen. Diesen Wert bezeichnet man als Volatilität der Aktie:

Da aber die Varianz  über angenehmere mathematische Eigenschaften verfügt, rechnet man oft mit diesem Wert, obwohl er nicht mit der Dimension der Ausgangsdaten vergleichbar ist.
Um die Rentabilität einer Aktie abschätzen zu können, wird sie mit dem Aktien-Index ATX in Relation gesetzt. Grundlage jeder Berechnung bildet die Kovarianz

Aus der Kovarianz berechnet sich das Bestimmtheitsmaß

Es ist eine Maßgröße, die angibt, wie stark die Regressionsgerade von ATX und der Aktie i einen linearen stochastischen Zusammenhang erklärt. In anderen Worten: Das Bestimmtheitsmaß beschreibt den Anteil des marktspezifischen, systematischen Risikos am Gesamtrisiko dieses Papiers. Zu diesen Risiken gehören Zinsänderungen oder globale Konjunkturschwankungen, also Einflußfaktoren, die den gesamten Markt betreffen und nicht diversifizierbar sind, deren Risiko sich also nicht streuen läßt. Der Wert 1-R² beschreibt das unternehmensinterne, unsystematische Risiko. Management, Gesetzeslage, Konkurrenz sind Faktoren, die nur das Unternehmen oder die Branche betreffen. Diese Risiken sind in einem Portfolio diversifizierbar.

Die Quadratwurzel des Bestimmtheitsmaßes, der Korrelationskoeffizient R, ist ein Maß für die lineare Abhängigkeit der Aktie i vom ATX.
Von großer Bedeutung ist der Beta-Faktor 

Es ist dies nichts anderes als die Steigung der Regressionsgeraden aus prozentualen Wertveränderungen der Aktie i als abhängiger Variable und den die Marktentwicklung repräsentierenden prozentualen Änderungen des Index ATX als unabhängiger Variable. Der Beta-Faktor gibt an, um wieviel Prozent sich die Aktie i verändert, wenn sich der ATX um 1 % verändert. Ist der Beta-Faktor größer als eins, so bewegt sich die Aktie i stärker als der im Index repräsentierte Aktienmarkt. Der Beta-Faktor ist somit eine wichtige Maßzahl für die Sensitivität einer Aktie auf Marktänderungen.

Für die Wochenkurse ergeben sich folgende Werte:

Diese berechneten Maßzahlen lassen sich etwa folgendermaßen interpretieren:

Die Rendite ist am höchsten bei AMS, dafür aber auch die Volatilität (Streung, Schwankungsbreite) und damit das Risiko. Erwartungsgemäß ist die Volatilität am geringsten beim Index selbst, da hier durch die Mischung von ca. 20 Fließhandelsaktien das Risiko verteilt und weitgehend vernichtet wird.

Die Korrelation von FLU mit dem ATX ist sehr gering, Das Bestimmtheitsmaß nur 2 %. Das bedeutet, daß das Unternehmensrisiko sehr hoch ist, nämlich 1-R² = 98 %.
Der Beta-Faktor von OMV besagt, daß sich bei einer Änderung des ATX um 1 % die OMV-Aktie voraussichtlich um 2,687 % ändert.
Alle diese Werte sind natürlich mit größter Vorsicht zu genießen, da der Beobachtungszeitraum sehr kurz war. So sollte sich für OMV ein Beta-Faktor nahe eins ergeben, da OMV mit mehr als 10 % im Index vertreten ist. Hier geht es vorwiegend darum, die Interpretation von statistischen Maßzahlen bei der Aktienanalyse zu üben.

2. PORTFOLIOTHEORIE

Ende der fünfziger Jahre hat der Wirtschaftswissenschaftler Harry M. Markowitz eine Theorie der "Portfolio Selection", so die gleichnamige Veröffentlichung 1959, entwickelt und damit den Grundstein für eine statistische Analyse von Aktienportfolios gelegt. 1990 hat Markowitz den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekommen.
Die Kernfrage der Portfoliotheorie lautet: Wie soll ein bestimmter verfügbarer Geldbetrag auf die einzelnen Anlagemöglichkeiten ("assets") aufgeteilt werden ("portfolio selection", "asset allocation")?
Hält ein Anleger nur eine einzige Aktie, so ist er dem vollen Risiko eines Wertverlusts ausgesetzt. Um dieses Risiko zu minimieren, kauft der Anleger eine Mischung von N verschiedenen Aktien, die mit der Gewichtung ni in diesem Portfolio vertreten sind,
d.h.         .

Die Abhängigkeit der einzelnen Aktien ergibt sich aus den Kovarianzen
 

und den Korrelationskoeffizienten

Die erwartete Portfoliorendite ist dann das gewichtete arithmetische Mittel der einzelnen Aktien

Die Varianz und die Volatilität (Standardabweichung) des Portfolios ergeben sich aus:

Für N = 2 läßt sich dies noch leicht berechnen und übersichtlich anschreiben:

Aus den drei Aktien AMS, FLU und OMV können drei Portfolios mit je zwei Aktien gebildet werden. Dazu braucht man sämtliche Varianzen und Kovarianzen. Was händisch eine gigantische Arbeit wäre, läßt sich mit EXCEL mühelos berechnen (Matrix der Kovarianzen erstellen mit KOVAR). So können für die drei Portfolios Rendite und Volatilität berechnet werden:

Um die Portfoliorendite und die Portfolio-Volatilität zu veranschaulichen, können Säulen-Diagramme erstellt und die Gewichte  mit Bildlaufleisten dynamisiert werden.
Dazu ruft man im Menü "Ansicht" "Symbolleisten" die Dialogsymbolleiste auf und wählt das Symbol für Bildlaufleiste aus:

Mit der Maus wird die Bildlaufleiste aufgezogen und positioniert. Mit einem Klick der rechten Maustaste kann das Kontextmenü geöffnet werden, "Objekt formatieren" liefert eine Dialogbox, bei der die Ausgabeverknüpfung hergestellt werden muß:

Im Beispiel FLU-OMV ist die verknüpfte Zelle I34 unter der Bildlaufleiste versteckt, in Zelle I30 werden die Werte auf Prozent umgerechnet. Nun können alle Mischungen zwischen 0 % und 100 % sofort visuell umgesetzt werden.
Schiebt man den Anteil von FLU in diesem Portfolio von 0 % auf 100 %, so sinkt die Rendite linear von 2,11 % (der Rendite von OMV) auf 0,67 % (der Rendite von FLU). Interessanter ist aber, was dabei mit der Volatilität geschieht: Sie sinkt von 3,587 % auf einen minimalen Wert ab und steigt dann wieder auf 3,581 %.

3. Risikominimales Portfolio

3.1. Risikominimales Portfolio für zwei Aktien

Natürlich drängt sich nun die Frage auf, bei welcher Mischung die Volatilität minimal ist!
Das ist das Grundproblem eines konservativen Anlegers, der nicht die Rendite maximieren will (bei hohem Risiko), sondern das Risiko minimieren (und eine geringere Rendite in Kauf nimmt).
Für den Fall  läßt sich dies leicht berechnen. Da  ist, ist die Varianz nur noch eine (quadratische) Funktion in einer Variablen. Das Minimum dieser Funktion findet man durch Ableiten und Nullsetzen der ersten Ableitung:

Dies ist ein Minimum, wenn

Zusätzlich ergibt sich eine sinnvolle Portfoliomischung nur für die Werte  ,


Es muß also sowohl  gelten als auch .
Ist dies nicht der Fall, so liegt das Minimum für  außerhalb des Intervalls [0; 1]. Dieses Minimum kann aber mit Hilfe von Optionen realisiert werden.

Für die drei Portfolios ergeben sich folgende Mischungen, Renditen und Volatilitäten für das minimale Risiko:


Das Portfolio AMS-OMV läßt sich risikominimal nur außerhalb des Bereichs [0; 1] realisieren. Denn die Kovarianz (0,00139) ist nicht kleiner als die Varianz von OMV (0,001287). Dies kann auch mit der Korrelation erklärt werden: AMS und OMV korrelieren mit 0,841. Durch stark gleichgerichtete Aktien kann aber keine Risikoausschaltung erfolgen.

3.2. Volatilität und Korrelation

Nun kann auch die Portfolio-Volatilität in Abhängigkeit von der Korrelation R untersucht werden. Drei Fälle sind interessant:

1. Fall: R = -1, d.h. die Aktien sind negativ linear abhängig:
Die Kovarianz kann durch die Standardabweichungen ersetzt werden:

Für das risikominimale Portfolio ergibt sich folgende Mischung:

Das Risiko läßt sich bei dieser Mischung vollständig vernichten:

2. Fall: R = 0, d.h. die Aktien sind unkorreliert:
Da die Kovarianz , ergibt sich

Hier läßt sich das Risiko minimieren auf

Diese Portfolio-Varianz ist kleiner als die Varianzen der beiden Aktien.

3. Fall: R = +1, d.h. die Aktien sind positiv linear abhängig:

Mit  ergibt sich

Beide Werte liegen außerhalb des Intervalls [0; 1]! Durch gleichgerichtete Aktien läßt sich Risiko nicht vernichten. Das Minimum der Varianz liegt am Rand dieses Intervalls, es ist die kleinere Varianz der beiden Aktien.
Beispiel: Für zwei Aktien mit den Varianzen  und  ergeben sich für die Korrelationen  die Kovarianzen . Der Zusammenhang zwischen der Gewichtung  und der Portfoliovolatilität  läßt sich in einer Wertetabelle und in einem Diagramm in EXCEL darstellen:


 

Die Korrelation kann auch mit einer Bildlaufleiste verknüpft werden. Die Varianz-Kurve läßt sich dann zwischen den Kurven für R = -1 und R = 1 verschieben.

3.3. Risikominimales Portfolio für mehrere Aktien

Noch interessanter ist natürlich die Frage, wie das risikominimale Portfolio aller drei Aktien gemischt werden muß. Dies führt auf ein Extremwert-Problem mit mehreren Variablen. Es kann mit dem Ansatz der Lagrange-Multiplikatoren gelöst werden, was allerdings den Schulstoff übersteigt.
Die Funktion

muß minimiert werden unter der Nebenbedingung

Für das Minimum muß es dann einen Multiplikator  geben, sodaß gilt:

Dies führt mit den partiellen Ableitungen

auf folgendes Gleichungssystem, wobei die Konstante 2 vernachlässigt werden kann:

oder - sehr einprägsam und auf N Aktien verallgemeinerbar - in Matrizenform:

Mit EXCEL läßt sich so ein Gleichungssystem als Matrizenmultiplikation leicht lösen:

Durch die Funktion MMULT(MINV(G25:J28);K25:K28) wird die Inverse der Matrix G25:J28 mit dem Spaltenvektor K25:K28 multipliziert. Davor muß der Bereich L25:L28 markiert werden, der Matrizenbefehl muß mit STRG+UMSCH+ENTER abgeschlossen werden, EXCEL setzt dann geschwungene Klammern.

Als Ergebnis ergibt sich folgende Mischung: AMS 16,7 %, FLU 53 % und OMV 30,3 %. Die Rendite beträgt 1,47 %, die Volatilität 2,643 %. Damit ist die Volatilität kleiner als bei allen Portfolios mit zwei Aktien!

3.4. Risikominimales Portfolio mit Renditeniveau

Eine weitere interessante Frage: Wie muß das Portfolio gemischt werden, wenn der Anleger eine bestimmte Rendite erzielen will und das Risiko für diese Rendite minimal sein soll?
Der Anleger will z.B. eine Portfolio-Rendite von 2 % erzielen. Das Risiko muß also unter den beiden Nebenbedingungen

minimiert werden.

Für das Minimum muß es dann zwei Multiplikatoren l1 und l2 geben, sodaß gilt:

Dies führt mit den partiellen Ableitungen auf folgendes Gleichungssystem:

Wieder läßt sich dieses Gleichungssystem in EXCEL mit Matrizenfunktionen lösen:

Es ergibt sich folgende Mischung: AMS 51,2 %, FLU 33,2 % und OMV 15,5 %. Bei der Rendite von 2 % beträgt die minimale Volatilität 3,026 %.

4. RESUME

Erst durch den Einsatz des Computers (hier mit EXCEL) ist die Aktienanalyse für den Unterricht in den Schulen möglich geworden. Die Masse an Daten, die verarbeitet werden müssen, wäre ohne Computer nie zu bewältigen.
Durch die vordefinierten statistischen Funktionen in EXCEL verlagert sich das Hauptaugenmerk von der Rechentechnik auf die Interpretation der Maßzahlen.
Mit Hilfe von Bildlaufleisten bekommt die Mathematik einen experimentellen Charakter. Es werden nicht mehr nur einzelne Werte berechnet, sondern es können sehr leicht und anschaulich Szenarien durchgespielt werden. (Was passiert, wenn die Aktien so oder so gemischt werden?)
Der Computer ermöglicht so einen Praxis- und Anwendungsbezug, wie man ihn sich nur wünschen kann.
Gleichzeitig erweist sich aber auch die Mathematik als unentbehrliches Hilfsmittel für praxisrelevante Problemstellungen. Dies zeigt, daß in den Wirtschafts- und Finanzwissenschaften auf die Mathematik auf keinen Fall verzichtet werden kann!

Literaturhinweise:

Udo Hilscher: Fischer Börsenlexikon. Frankfurt am Main: Fischer 1992. (=FTB Wirtschaft 10389)
Als Einstieg in die Welt der Börse hervorragend geeignet, vor allem hat das Buch keine Scheu vor mathematischer Terminologie

Lutz Kruschwitz: Investitionsrechnung. München: Vahlen 1995.
In einem Kapitel dieses Wälzers wird die Portfoliotheorie sehr ansprechend abgehandelt.